2024-11-29 HaiPress
Landesverband Lebenshilfe und Paritätischer Wohlfahrtsverband kritisieren die Praxis der Stadt und Landkreise bei der Kostenübernahme von Hilfen vor Ort.
Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung (3.12.2024) kritisieren der Landesverband Lebenshilfe Baden-Württemberg e.V. und der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg die aktuelle Praxis in zahlreichen Stadt- und Landkreisen,Leistungen für den Hilfe- und Assistenzbedarf zur Freizeitgestaltung von Menschen mit Behinderung nicht zu finanzieren. Das stelle die Grundrechte von Menschen mit Behinderung auf Teilhabe infrage und gefährde die bestehenden Angebote der Träger Offener Hilfen-Dienste vor Ort. Die Verbände fordern Stadt- und Landkreise dazu auf,ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Kosten für Freizeitaktivitäten in den Leistungskatalog der Eingliederungshilfe aufzunehmen sowie verbindliche Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern vor Ort zu treffen. Nur so könnten Inklusion und soziale Teilhabe im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesteilhabegesetzes nachhaltig gesichert werden.
Peter Benzenhöfer,Aufsichtsratsvorsitzender des Landesverbands Lebenshilfe Baden-Württemberg und selbst Mensch mit Behinderung,kritisiert diese Haltung scharf:
„Ich habe Freunde,die für Freizeitaktivitäten wie einen Stadionbesuch des VfB Stuttgart auf Assistenz angewiesen sind. Solche Angebote gehören in den Aufgabenbereich der Offenen Hilfen. Wenn jedoch die Mehrzahl der Stadt- und Landkreise sich weigert,diesen Bereich in die Eingliederungshilfe zu integrieren,wird soziale Teilhabe zunehmend unmöglich.“ Gleichzeitig hebt Benzenhöfer die Notwendigkeit einer personenzentrierten Unterstützung hervor,die Menschen mit Behinderung Aktivitäten ermöglicht,die ihren individuellen Interessen und Bedürfnissen entsprechen: „Uns geht es darum,vielfältige und individuelle Angebote wahrnehmen zu können. Als Rollstuhlfahrer habe ich beispielsweise nichts von einem Gruppenausflug zur Sommerrodelbahn. Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen.“
Ulf Hartmann,Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg,erklärt dazu:
„Leider wird die Freizeitgestaltung in den Planungsgesprächen zur Ermittlung des individuellen Unterstützungsbedarfs zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Lebensbereichen in vielen Fällen von den Stadt und Landkreisen als Leistungsträger in ihrer Bedeutung oftmals unterschätzt,nicht erfasst,wegdiskutiert oder in Zeiten knapper Kassen als „nice to have“ oder schlicht zu teuer angesehen. Menschen mit Behinderung haben einen Rechtsanspruch auf gesellschaftliche Teilhabe in der Freizeit. Den gilt es jetzt uneingeschränkt zu erfüllen. Die Offenen Hilfen-Dienste vor Ort stehen mit ihren Angeboten und Hilfen bereit,um die ganz konkrete Unterstützung anzubieten,die jemand benötigt,um die eigene Freizeit so zu gestalten,wie es jeder Einzelne für sich selbst möchte. Damit sie diese erbringen können,sind auskömmliche Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Stadt- und Landkreisen erforderlich. Diese gilt es jetzt endlich zu verhandeln.“
Anna Engelberg von der Lebenshilfe Ravensburg betont:
„Die Einbindung der Offenen Hilfen in den Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ist ein entscheidender Beitrag,um das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung zu sichern
und ihre soziale Teilhabe nachhaltig zu stärken. Stadt- und Landkreise tragen dabei die Verantwortung,die Angebote der Offenen Hilfen,die auf die individuellen Bedarfe der Menschen mit Behinderung ausgerichtet sind,sicherzustellen. Nur so kann eine inklusive Gesellschaft entstehen,in der Menschen mit Behinderung gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben können. Es muss verbindliche Vereinbarungen zwischen Stadt- und Landkreisen und Offenen Hilfen geben,damit Menschen mit Behinderung Teilhabe leben können.“
Hintergrundinformationen:
In Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention ist das Recht von Menschen mit Behinderung zur gleichberechtigten Teilhabe am kulturellen Leben verankert. Das Land Baden-Württemberg hat unlängst den zweiten Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg beschlossen. Dieser enthält Maßnahmen und Ziele der Landesregierung zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und in der Freizeit. Menschen mit Behinderung benötigen hierbei in vielen Fällen behinderungsbedingt Assistenz und Unterstützung bei der Wahrnehmung von Angeboten. Das Bundesteilhabegesetz sieht dafür eine individuelle Bedarfsbemessung vor. Dabei soll der individuelle Unterstützungsbedarf zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Lebensbereichen ermittelt und in einem Prozess auf Augenhöhe mit dem leistungsberechtigten Menschen beschieden werden.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg ist einer der sechs anerkannten Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Er ist konfessionell,weltanschaulich und parteipolitisch unabhängig. Er steht für Solidarität,soziale Gerechtigkeit und Teilhabe und wendet sich gegen jegliche Form sozialer Ausgrenzung. Ihm sind in Baden-Württemberg über 930 selbständige Mitgliedsorganisationen mit insgesamt rund 2000 sozialen Diensten und Einrichtungen angeschlossen sowie rund 50.000 freiwillig Engagierte und 80.000 Hauptamtliche. Ihm gehören 22 Frauenhäuser an. Weitere Infos unter www.paritaet-bw.de
Der Landesverband Lebenshilfe Baden-Württemberg e.V. ist der Zusammenschluss von 62 Orts- und Kreisvereinigungen der Lebenshilfe mit insgesamt 22.000 Einzelmitgliedern sowie 43 weiteren Mitgliedsorganisationen. Wesentliche Aufgabe des Landesverbandes Lebenshilfe ist es,die Interessen (insbesondere geistig) behinderter Menschen und ihrer Angehörigen gegenüber der Landespolitik und den Leistungsträgern zu vertreten. Wir sind Träger des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) und des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). Der Landesverband ist eine Selbsthilfeorganisation und wurde 1964 gegründet. Weitere infos unter www.lebenshilfe-bw.de
PM Landesverband Lebenshilfe Baden-Württemberg e.V.
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